Wilfried Brink über die aktuelle Lage
Ohne sie funktioniert nichts: Die Yacht-Transporteure. Wir hatten hier in unserem ENJOY-Blog schon ausführlich darüber berichtet, denn immer wieder bekommen wir in Beratungsgesprächen die Fragen gestellt, warum ein Yacht-Transport so aufwändig (und damit teuer) sei. Sie können hier diesen Artikel noch einmal nachlesen. In dieser Woche besuchen wir Wilfried Brink, einer der beiden Chefs von Sleepy Yachttransporte, unserem bevorzugten Yachttransporteur. Wir interessieren uns für dessen Sicht auf diese verrückte Saison 2020. Denn trotz Corona-Krise ist eines klar: Yacht-Transporte rollen!
Nachdem wir trotz aller Restriktionen einige FIRST-Boote an glückliche Eigner ab Hannover übergeben konnten, ist auch Dank des Engagements unseres Transport-Dienstleisters Sleepy die Auslieferung von größeren Yachten möglich: Erst letzte Woche erreicht unsere erste OCEANIS 30.1 den Auslieferungshafen am Bodensee, Fotos von einem Transport mit zwei weiteren Yachten erreichen uns nur einen Tag später. Tolle Nachrichten, vor allem in Zeiten wie diesen.
Besuch im Sleepy-Hauptquartier
Es ist ein wunderschöner und warmer Frühlingstag, als Wilfried in legerem Strickpulli die Türen zum Hauptquartier in Heikendorf, direkt an der Kieler Förde öffnet. Nach einem Rundgang durch die Büro- und Werkstatträume setzen wir uns ins Büro: „Die meisten Trucks sind unterwegs“, sagt Wilfried, „weshalb es hier jetzt etwas leer aussieht.“ In normalen Zeiten beschäftigt Sleepy, einer der beiden großen und namhaften Yacht-Transporteure Deutschlands, rund 40 Mitarbeiter: „Das sind dann maximal 18 eigene Schwerlast-LKW, mit denen wir Yachten in ganz Europa fahren.“ Wilfried hat das Unternehmen mit Anfang 30 zusammen mit Schulfreund Holger Stürck gegründet: „Damals nur als Anbieter von Winterlagerplätzen für Boote, daher der Name: „Sleepy“, die schlafenden Boote im Winterlager.“ In mittlerweile fast 35 Jahren hat sich Sleepy zu einem der großen Markennamen im Bereich der Bootstransporte entwickelt.
„Alle Fahrer, die jetzt unterwegs sind, machen dies auf freiwilliger Basis“, sagt Wilfried. Trotz Kurzarbeit mussten nur wenige LKW vorübergehend abgemeldet werden. Als wir in den Dispatcher-Raum schauen, sind die beiden Disponenten mit Headset (hinter Spuckwänden und mit gebührendem Abstand) stetig am Telefonieren und Koordinieren: „Yachten werden nach wie vor gefahren“, bestätigt Wilfried, „aber es ist eben schwierig.“
Yachttransporte in Corona-Zeiten
So wie wir als CRANCHI- und BENETEAU-Händler uns freuen, wenn wir die Freigabe erhalten, ein Boot für den Kunden fahren zu können, so wenig wissen wir im Prinzip, was das in Zeiten wie diesen bedeutet: „Yacht-Transporte, also überbreite Schwerlasttransporte, sind immer aufwändig und sehr spannend“, erklärt Wilfried, „schon in normalen Zeiten sind Dinge wie die Streckenplanung, die Arie an Genehmigungen, die Erfüllung unterschiedlichster Auflagen von Kommunen oder der Polizei in den Ländern sehr schwierig zu koordinieren. Dazu die Grenzübertritte, eventuelle Fähr-Termine, die man einhalten muss: Es ist viel Logistik und sehr viel Improvisation.“ Und heutzutage, in Corona-Zeiten? „Sehr, sehr schwer – und für die Fahre ehrlicherweise katastrophal.“
Trotz Lockdown und geschlossener Werften fahren Sleepy-Transporte in ganz Europa: „Weniger, ja, und die dann auch unter äußerst schwierigen Bedingungen … aber sie rollen wenigstens.“, sagt Wilfried. So sind Boote, die aus den Produktionsstandorten in Polen kommen, bisher grundsätzlich abholbereit. Das ist der Grund, warum es möglich war, die OCEANIS 30.1 zu fahren: In Polen gibt es ein Gebiet, in welchem sich eine sehr moderne GFK- und Komposit-Industrie herausgebildet hat, nicht nur auf den Yachtbau bezogen. So kommen sehr viele Rotorblätter für Windräder hierher, neben BENETEAU haben andere namhafte Hersteller hier Produktionsstätten. „Ganz wenige französische Werften haben nicht geschlossen – Die BENETEAU-Standorte in Frankreich sind es noch bis 4.5. – Spanien ist komplett dicht, wobei es dort eher um die Häfen geht. Witzigerweise lässt Italien Transporte zu …“ So rigoros scheint der Lockdown also nicht zu sein: „Das Problem“, so Wilfried weiter, „sind gar nicht mal so die Werften – eher die Zielorte.“ Denn die allermeisten Häfen im europäischen Ausland seinen komplett gesperrt.
Wir erkundigen uns nach den Arbeitsbedingungen der Fahrer. „Das ist ehrlich gesagt eine komplette Katastrophe. Wenn wir beispielsweise über Transporte durch Frankreich sprechen, so dürfen Schwertransporte dort generell nicht über Autobahnen rollen. Also Landstraße – das ist sowieso schon schwierig, hier Raststätten oder passende Stopp-Over für LKW zu finden. Jetzt ist es nahezu ausgeschlossen. Aber auch ein Trucker duscht und wäscht sich gerne. Toiletten gibt es keine – hier helfen sich manche Fahrer schon mit Chemie-WCs an Bord. Es ist sehr, sehr schwierig.“
Richtige Zerreißproben, neben den langen Grenzstaus und der hohen Nervenbelastung der Fahrer durch die Corona-Auflagen gibt es dann aber in den Auslieferungshäfen: „Die meisten europäischen Häfen sind geschlossen – in Deutschland allerdings Gottseidank keine. Da kann es dann sein, dass wir vielleicht Genehmigungen haben, in Gebiete zu fahren, dort aber dann der lokale Polizeichef die Einfahrt verweigert. Dann steht man natürlich da, kann nicht abladen.“ Schwierig wird es, wenn Kunden dann kein Verständnis haben: „Wir geben wirklich alles, damit Boote pünktlich ankommen.“
“Das wird ein absolut irres Frühjahr”
Als Yachthändler merken wir sehr wohl, dass sich durch die Krise das Verhalten unserer Kunden und Eigner verändert hat: Einige Boote im Zulauf, die demnächst fertig werden, haben wir schon umgeroutet zu neuen Liegeplätzen in die Ostsee. Wir fragen Wilfried, ob dies ein genereller Trend sei: „Definitiv! Was wir ganz stark merken, vor allem beim Transport von Gebrauchtbooten, ist ein Umdenken bei Eignern: Die Ostsee steht ganz hoch im Kurs. Die Eigner wollen ihre Boote im unmittelbaren Zugriff haben. Zudem fahren wir mehr eher kleine und mittelgroße Yachten: Eure drei, oder sind es vier?, OCEANIS 30.1 sind ein Paradebeispiel.“ Wir folgen Wilfried in den Disponentenraum. Im Hintergrund telefonieren die Kollegen – wir stehen vor einem großen Flatscreen.
Zu sehen sind alle LKW als Live-Tracking. „Hier ist Euer Transport mit den beiden OCEANIS“, sagt er und lächelt: „Zurzeit 79 km/h – ich hoffe, er ist auf der Autobahn.“ Wilfried spricht von einem absolut irren Frühling, der der Branche bevorsteht. „Wenn es dann im Mai wieder mit der Produktion in den Werften losgeht, dann wird der große Run stattfinden. Alle werden ihre Boote so schnell es geht in die Häfen bekommen wollen – die dann sowieso mit den Kranungen der lokalen Boote ausgelastet sind … es wird sehr interessant!“ Glück hat, wem jetzt schon seine Yacht klargemacht werden kann – denn obwohl private Eigner ihre Yachten noch nicht nutzen können, wohl dem, dessen Boot fertig geriggt am Steg liegt.
Wir fragen Wilfried, was ihm wichtig sei, nach außen zu transportieren. Er denkt kurz nach: „Im Prinzip geht meine Botschaft vor allem an Händler wie Euch: Wenn wir wissen, was auf uns zukommt, können wir planen. Genehmigungen, Routen, das Vermeiden von Leerfahrten – all das können wir am besten, wenn wir möglichst weit im Voraus wissen, was an Yachten gefahren werden muss. Sicher ist das auch für den Händler schwer abzuschätzen, aber je mehr Vorlauf, desto besser reagieren wir.“ Vor allem aber, so Wilfried, wünsche er sich, dass alle gesund bleiben, dass allen die wirtschaftliche Lebensgrundlage erhalten bleibt und dass wir nach dem Chaos wieder möglichst in eine Normalität finden.
Wir liefern aus!
Wir wünschen Sleepy, dem Team und Wilfried alles Gute – und bedanken uns für die interessanten Einblicke in den Yacht-Transporteurs-Alltag. Gerade in der Krise sicher keine Normalität. Dass wir bei ENJOY YACHTING für Transport nach Deutschland vor allem auf Sleepy setzen, hat sich für uns nach diesem Besuch nochmals als richtige Entscheidung bestätigt: Denn der beste Weg ist oftmals nicht der billigste, sondern eben der beste. Eine ehrliche, norddeutsche Geschäftsmentalität, lange Jahre Erfahrung und viel Vertrauen darin, dass unsere Dienstleister mit Ihrem Eigentum verlässlich und vorsichtig umgehen.
Der Sleepy-Truck mit den beiden OCEANIS 30.1 ist unterdessen am Bodensee angekommen. Die beiden Yachten macht ein weiterer unserer Servicepartner nun auslieferbereit – aber das ist eine andere Geschichte. Lesen Sie hier mehr über professionelle Auslieferungen by ENJOY YACHTING (LINK) und freuen Sie sich mit uns auf eine – wahrscheinlich tatsächlich – irre, aber sicher tolle Rest-Saison 2020.